Psychologisches Gespräch

Jetzt kommen wir zum „Schwergewicht“ bei der MPU. Da das psychologische Gespräch fast immer das meiste Gewicht für das MPU-Ergebnis hat, wird es hier wieder ausführlicher.

Was passiert im Kopf des Gutachters, worauf schaut der

Im Absatz „Woran müssen sich Gutachter halten“ habe ich schon erwähnt, dass es für den Gutachter Regeln und Richtlinien gibt, aber noch nicht wie die genau aussehen. Darauf möchte ich näher eingehen.

Natürlich kann ich nicht hunderte Seiten gebündelte Fachinformationen ausführlich und detailliert darstellen. Ich will versuchen, mich auf eine vereinfachte Darstellung des Wesentlichen zu beschränken.

Im Wesentlichen lässt sich das Denken des Gutachters und das Gutachtengespräch in 3 Teile aufteilen:

Diagnose

  • Was war los, Was war das frühere Problem (Alkohol, Drogen, Verkehr)?.
  • Wie groß ist das frühere Problemausmaß? (z.B. Neugierkonsum, Missbrauch, Abhängigkeit)
  • Was waren die Auslöser und Problemursachen (sowohl äußere Umfeldfaktoren als auch in der eigenen Person liegende Ursachen)

Veränderung

  • Welche Veränderung ist aufgrund der Diagnose zu fordern? (Trinkmengenreduktion, Abstinenz, Überdenken von Einstellungen)
  • Welche unterstützenden Maßnahmen sind für die Veränderung angebracht? (Entzugstherapie, psychologische Gespräche, reicht eine Einstellungsänderung durch selber darüber nachdenken)
  • Haben unterstützende Maßnahmen stattgefunden?
  • Waren die Maßnahmen Problemangemessen?
  • Haben diese zu einer angemessenen Veränderung geführt?

Stabilisierung

  • Seit wann besteht die Veränderung?
  • Ist sie schon ausreichend lange erprobt? (Stichwort Abstinenzdauer/Abstinenzbelege)
  • Was stabilisiert die Veränderung? (Veränderungen in der eigenen Person und im Lebensumfeld)
  • Woran erkenne ich Gefahrensituationen, Wie gehe ich gut und erfolgreich damit um?
  • Falls das alte Verhalten wieder auftaucht (Rückfall) was mache ich dann um es schnellstmöglich wieder abzustellen/in den Griff zu kriegen?

All diese Themen sind in den Beurteilungskriterien ausführlich dargestellt und beschrieben und somit eine Richtlinie für den Gutachter. Klar, man kann sich dieses Buch auch kaufen. Ich würde (sofern Sie kein Fachmann sind) davon aber dringend abraten. Es ist sauteuer und ein Fachbuch für Fachleute. Um es richtig verstehen zu können wird sehr viel psychologisches, verkehrsrechtliches und verkehrsmedizinisches Grundwissen vorausgesetzt.

Und wie sieht das jetzt dann beim MPU-Gespräch konkret aus?

Führerscheinakte:

Bevor der Gutachter das Gespräch mit Ihnen beginnt, hat er sich ihre Führerscheinakte angeschaut. Da stellt sich gleich die Frage wie Gläsern ist der Mensch, was ist da alles drin: Genaueres dazu steht hier. Der Akteninhalt ist für den Gutachter eine wesentliche Gesprächsgrundlage.

Allgemeines:

Es gibt für ein MPU-Gespräch keinen festen Fragenkatalog! Es gibt auch keinen fest vorgeschriebenen Gesprächsablauf, da entwickelt jeder Gutachter mit der Zeit seinen eigenen Stil. Das heißt aber nicht das da jeder machen kann was er will, die Hinweise zu den Regeln für die Begutachtung finden sie hier

Natürlich geht es oft um ähnliche Themenbereiche (z.B. Alkohol), so dass sich häufig wiederkehrende Fragen (z.B. Trinkmenge bei der Auffälligkeit) ergeben. Aber jeder Vorfall ist ein Einzelfall und jeder Mensch hat seine eigene Lebensgeschichte. Daher kann man für ein MPU Gespräch kein Standardfragenkatalog erstellen, die Fragen ergeben sich aus dem Gespräch heraus. Und wenn Ihnen jemand einen MPU-Fragenkatalog anbietet, kann dieser nie Ihr MPU-Gespräch genau widerspiegeln. Ich halte es für sinnvoller und zielführender, sich mit den hinter den Fragen stehenden Themenbereichen auseinander zu setzen. Dann brauchen sie keinen Fragenkatalog als Vorbereitungshilfe.

Häufiger Gesprächsablauf:

Einleitung

Zu Beginn muss Ihnen der Gutachter eigentlich noch mal denn Sinn und Zweck des Gesprächs und den Gesprächsablauf erklären. Es kann Ihnen aber auch passieren, das der Gutachter das Gespräch mit einer offenen Frage (was ist ihnen besonders wichtig hier darzustellen?  Wissen sie, warum die MPU angeordnet wurde? oder ähnliche Formulierungen) beginnt.

Lebenslauf

Als „Eröffnung“ fängt das Gespräch meist mit Fragen nach ihrem Lebenslauf an. Es gibt keine klare Regel wie ausführlich das stattfindet, das ist gutachterabhängig. Es kann sehr kurz (aktueller Beruf, Familienstand, Hobbys Freizeitinteressen) sein, oder auch mal länger, wie Schulabschluss, Berufsausbildung…. . Keine Sorge, es geht hier nicht um intime Details, der Gutachter will sich lediglich ein Bild über sie machen.

Delikte

In diesem Gesprächsteil geht es um die aktenkundigen Vorfälle aus der Führerscheinakte. Hier fragt sie der Gutachter (meist chronologisch, d.h. vom ältesten zum neusten), was passiert ist, warum es passiert ist.
Bei Alkohol/Drogen geht es dabei um Dinge wie Konsumanlass, Konsumbeginn, was/wieviel konsumiert wurde, Konsumende, warum gefahren, wodurch aufgefallen. Bei Verkehrsdelikten um Themen wie Fahrtanlass, Grund der Auffälligkeit (absichtlich, nicht aufgepasst, abgelenkt,…).

Wenn es um das Thema Punkte geht und es viele Auffälligkeiten sind, kann es auch passieren, das der Gutachter gleich mit der Frage nach einer Erklärung für die wiederholten Auffälligkeiten anfängt und nicht alle Delikte einzeln bespricht, sondern sich nur die „Highlights“ (z.B. besonders schnell gefahren) rauspickt und einzeln bespricht.

Hintergründe/Alkohol-/ Drogengeschichte, Verkehrsvorgeschichte

Zum einfacheren Verständnis unterteile ich hier noch mal zwischen Alkohol/Drogen und Verkehrsfragestellung.

Alkohol/Drogen

In diesem Gesprächsteil wird zuerst Ihre Vergangenheit, Ihre „Konsumlebensgeschichte“ erfragt. Da geht es um Themen wie:

  • Wann wurde mit dem Konsum angefangen?
  • Wann wurde es mehr?
  • Wann war es weniger?
  • Konsumhäufigkeit und Konsummengen in verschiedenen Lebensphasen,
  • Gab es Veränderungen?
  • Gab es Zeiten von Konsumverzicht?
  • Wann wieder angefangen?

Zumeist wird hier gleichzeitig nach den Konsumhintergründen (Wozu war es „gut“, hat der Konsum etwas mit Lebenskrisen zu tun…) gefragt. Sie sehen, hier wird es bereits schwierig, einen Standardfragenkatalog zu erstellen. Es geht im Gespräch immer um den Einzelfall. Der eine trinkt/nimmt Drogen, weil ihn seine Frau verlassen hat, der andere weil ihn seine Frau nicht verlässt, der dritte weil er keine hat, der vierte weil er schüchtern ist, der fünfte aus Langeweile… und was waren Ihre Gründe? Das versucht der Gutachter mit Ihnen im Gespräch zu klären.

Dann geht es um die Gegenwart:

  • Was hat sich verändert?
  • Wie sieht der aktuelle Konsum aus oder seit wann sind sie abstinent?
  • Was hat sich außer dem Konsum (-verzicht) noch alles verändert?
  • War die Konsumänderung leicht?
  • Wie hat das Umfeld auf die Veränderung reagiert?

Im nächsten und meist letzten Gesprächsabschnitt geht es um die Stabilität der Veränderung. Hier geht es um Themen wie:

  • Was machen Sie jetzt in den Situationen in denen Sie früher (zu viel) getrunken haben/Drogen konsumiert haben?
  • Gibt es inzwischen alternative Problemlösestrategien bzw. Freizeitgestaltungen?
  • Wie gehen Sie mit Alkohol-/Drogenangeboten um?
  • Gab es kritische Situationen und wie haben sie diese bewältigt?
  • Rückfallvorsorge

Beim Thema Rückvollvorsorge geht es nicht darum, sich sicher zu sein dass es keinen Rückfall geben wird (wer von uns kann denn schon hellsehen), sondern darum, ob Sie für den Fall der Fälle (falls es zu einem Rückfall kommen sollte) einen Plan haben, was dann zu tun ist, um den Rückfall ganz schnell wieder in den Griff zu bekommen.

Punkte

Hier wird neben den aktuellen aktenkundigen Auffälligkeiten auch nach der Verkehrsvorgeschichte geschaut. Schwerpunkt ist zu versuchen, die Auffälligkeiten in einen Lebenszusammenhang zu bringen:

  • Gibt es einen Zusammenhang zwischen Auffälligkeiten und Lebenskrisen/Lebensveränderungen (finanzielle Probleme, Selbstständigkeit, Arbeitsplatzwechsel?
  • Wie sah ihre Einstellung zu Regeln und Normen aus?
  • Waren Sie leicht durch äußere Ereignisse (Provokationen, Fehler anderer) beinflussbar?
  • Waren sie leicht unter Druck zu setzen (Aufträge vom Chef)?

Auch hier wird dann im nächsten Schritt nach Veränderungen gefragt. Dabei geht es zwar auch um äußere Veränderungen (z.B. neuer Arbeitsplatz mit weniger Stress), aber vor allem um eher „innere“ Änderungen wie Einstellungen zu Verkehrsregeln überdenken, veränderter Umgang mit Provokationen/Stress.

Klar, hier ist es dann nicht mit pauschalen Aussagen wie „Ich mach mir weniger Stress“ getan. Sondern es wird sehr konkret nachgefragt „Wie“ sie sich weniger Stress machen, woran man das erkennt.

Da es gerade beim Thema Punkte/Verkehrsverhalten weniger um direkt beobachtbares und belegbares wie Drogen-/Alkoholkonsum geht, ist es dann manchmal gar nicht so einfach sowohl die Ursachen/Auslöser von früherem (Fehl-)Verhalten zu erkennen und  Verhaltensänderungen konkret darzustellen.

Auch beim Thema Punkte geht es im letzten Gesprächsabschnitt um Verhaltensstabilisierung und Rückfälle/Rückfallvorsorgestrategien. Am einfachsten zusammengefasst in der Frageformulierung: „Falls sie wieder anfangen würden die gleichen Fehler wie früher zu machen (z.B. zu oft zu schnell fahren), woran würden sie das merken und was würden Sie dann tun, um es rechtzeitig vor dem nächsten Führerscheinentzug in den Griff zu kriegen?“

ACHTUNG WICHTIG:

Noch einmal: Was ich hier dargestellt habe ist nicht ein vorgeschriebener Gesprächsablauf, sondern nur der Versuch, die für den Gutachter relevanten Themen halbwegs strukturiert darzustellen! D.h. es kann passieren, das beim Thema Vorgeschichte Fragen zur Rückfallvorsorge kommen oder umgekehrt, wenn es um das Thema Rückfallvorsorge geht können noch mal ergänzende Fragen zur Vorgeschichte kommen.
Es kommt auch vor, dass die Delikte nicht in einem klar getrennten extra Gesprächsabschnitt besprochen werden, sondern chronologisch in die Hintergrundgeschichte eingebettet erfragt werden.

Sie wollen Wissen wo Sie stehen und welche Veränderungen in Ihrem Fall gefordert werden? Genau da fängt meine Arbeit an, ich berate Sie gerne.